2.
Das Schaf macht eine spirituelle Reise
Das
Schaf beschloss, in sich zu gehen. Es glaubte, auf einer
spirituellen Reise in die Tiefen seiner abgründigen
Schafsseele würde es Klarheit gewinnen, und so begab
es sich zu den Erleuchteten Blauwollschafen.
Diese Gemeinschaft war entstanden aufgrund der großen
Wirkung, die das Singschaf Daniel auf spirituell interessierte
und empfängliche Schafe hatte.
Die Blauwollschafe sind damit beschäftigt, Bäume
zu umarmen und Räucherstäbchen auf der Weide abzubrennen
und sie ommmen den ganzen Tag. Diese Schafe sind sehr lieb
(wenn sie nicht vom danielesken Schafismus oder einem anderen
-ismus infiziert sind, was auch bei ihnen vorkommt) und
sie haben sich auch alle sehr lieb, wie im Märchen.
Sie glauben, dass die Liebe zu ihren Mitschafen viele Probleme
der Schafsgesellschaft lösen könnte, und da haben
sie sicher recht.
Das Schaf versuchte, ebenfalls so erleuchtet zu werden,
und es lernte viel von den Erleuchteten Blauwollschafen.
Gelassenheit. Und Verständnis. Doch im Endeffekt konnten
sie sein Problem nicht lösen.
Unser Schaf war kein heiliges, sondern ein ganz normales
Schaf, mit ganz normalen Rachegelüsten, und vom Bäume-Umarmen
allein gingen diese nicht weg.
Das
Schaf beschloss daraufhin, es mit einer schafopeuthischen
Selbsthilfegruppe zu versuchen. Mit garantierter Gruppendynamik.
Hier machte das Schaf ganz erstaunliche Erfahrungen. Es
hatte nicht gewusst, dass es sehr arme Schafe gibt - traumatisierte
Schafe, die schon einmal fast vom Wolf geholt worden sind
und die Schreckliches erlebt und entsprechend viel aufzuarbeiten
haben.
Das Schaf sah ihnen zu bei ihrem gnadenlosen Seelenstriptease,
es sah weinende und es sah verzweifelte Schafe., Aber es
sah auch Schafe, die dort mitfühlende Seelen fanden.
So konnten sie das Geschehene aufarbeiten und glücklich
werden, und das war gut so.
Unser Schaf wollte auch wieder richtig glücklich werden,
und so wühlte es in seiner durchschnittlichen Schafsvergangenheit
nicht dass es etwas Entscheidendes übersehen
oder verdrängt hatte. Doch so sehr es auch wühlte,
es kam immer wieder zu dem Schluss, dass diese stinknormal
und völlig undramatisch gewesen war. Und dafür
war es dankbar!
Das Schaf konnte in der schafopeuthischen Selbsthilfegruppe
nichts aufarbeiten, aber umsonst war sein Besuch trotzdem
nicht gewesen. Es hatte begriffen, dass manche Schafe nicht
anders können, als sich so zu verhalten, wie sie es
nun einmal tun, und es empfand Mitgefühl mit diesen
Mitschafen.
Wie
man sieht, war das Schaf kurz vor der Seligsprechung, als
seine spirituelle Reise eine unerwartete Wendung nahm.
Vor seiner großen Trauer hatte das Schaf oft und gern
mit anderen Schafen im Heu gelegen und mit Vergnügen
Schafskram gemacht. Jetzt kam es ihm manchmal vor, als sei
das in einem anderen Leben gewesen, und es konnte sich nicht
vorstellen, sich jemals wieder unbeschwert dem Schafskram
hinzugeben.
Eines Abends rief eine Freundin an, dessen Lebensgefährtin
krank geworden war. Deshalb hatte sie eine Karte für
ein supergeiles Sheep Metal-Konzert übrig, und überredete
das Schaf, mitzugehen. Es sollte abgelenkt werden von seinen
Krübeleien, und das gelang besser als erwartet.
Mitten im schönsten Bangen gelang es einem enthusiastischen
Fanschaf, die Bühne zu erklimmen und den Drummer zu
küssen. Anschließend stagedivete es ins Publikum
(Schafe tun das gern) und es ergab sich, dass es ausgerechnet
auf unserem melancholischen Schaf landete.
Erstaunt hielten die zwei beim Bangen inne. Sie sahen sich
aus großen Schafsaugen an, und was sie sahen, gefiel
ihnen gut. Beim Anblick der dunklen glänzenden weichen
Löckchen, blitzenden Augen und des wohlgerundeten Schafskörpers
regten sich bei dem Schaf zum erstenmal seit langem wieder
schafskramige Gefühle, und dem Metal-Schaf, glücklicherweise
einem Bischaf, erging es nicht anders.
Die folgenden Tage verbrachten die zwei Schafe fast ausschließlich
im Heu, wobei es sich als vorteilhaft erwies, dass Schafe
ihr Bett fressen können und nicht einkaufen müssen.
Sie hatten eine leidenschaftliche Affäre, das Schaf
und das Bischaf, mit tollem Schafskram, heißem ungezügeltem
Sex, und, fast noch wichtiger, viel ausgelassenem Gekicher.
Es war schafopeuthischer Balsam für des Schafes Seele
und zeigte eine sehr heilsame Wirkung das Schaf fühlte
sich in seinem Fell endlich wieder wohl und zuhause.
Trotzdem
setzte es seine spirituelle Reise fort. Sein Kummer war
noch zu frisch, und es war dem Bischaf freundschaftlich
und auch auf schafskramigem Sektor sehr zugetan, doch es
verband sie nicht die große Liebe.
Das Bischaf verstand und ließ es ziehen. Im Leben
begegnet man sich immer zweimal, dachte es sich - es war
noch nicht aller Tage Abend.
3.
Es kommt zu einem Schafoskop und der Begegnung mit dem Singschaf
Das
Schaf hatte im Heu festgestellt, dass es vieles gab, das
es von sich selbst noch nicht wusste. Es wollte sich kennenlernen,
denn nur wer seine Stärken und Schwächen kennt,
kann sich ändern falls nötig.. .
Aber wie sollte es das anstellen? Schafsfreunde (oder feinde)
konnten ihm in dieser Hinsicht aufgrund ihrer subjektiven
Wahrnehmung keine Hilfe sein.
Die Schafopeuthin hatte einmal gesagt, detaillierte Schafoskope
seien sehr hilfreich, um die Schafspersönlichkeit in
ihrer ganzen Komplexität zu erkennen. Deshalb beschloss
das Schaf, auch für sich ein Schafoskop anfertigen
zu lassen. Die Schafopeuthin freute sich über das Wiedersehen
und wollte von dem Schaf die genaue Geburtszeit wissen,
um seinen Aszendenten bestimmen zu können. Nachdem
es vom Kreisverschafungsreferat seiner Heimatweide die gewünschte
Auskunft erhalten hatte, stellte sich heraus, dass das Schaf
ein Vollmondschaf mit dem Aszendent Wasserbock war. Im ersten
Haus stand bei ihm die Sonne mit Pluto von Angesicht zu
Angesicht eine mächtige Konstellation, die ein
Schafsleben in wilde Wallungen und innere Zerrissenheit
stürzen kann. Nun, soviel hatte das Schaf schon mitbekommen
und damit musste es wohl leben.
Andere Konstellationen, die das Schafoskop aufwies, wiesen
es aber auch als ein aktives und kreatives Schaf aus. Seine
früheren, oft schmerzhaften Erfahrungen böten
die Chance, durch Reflexion einen höheren Grad der
Weisheit und Gelassenheit zu erreichen. Dadurch könne
es sich in Zukunft besser schützen schließlich
sei es kein Opferlamm!
Leider habe bis Ende des Jahres Uranus einen destruktiven
Einfluss auf sein Leben, und es müsse sich möglicherweise
noch auf einige ungemütliche Monate einrichten. Diese
würde es aber mit der geeigneten inneren Einstellung
mit links überstehen.
Dies alles leuchtete dem Schaf sehr wohl ein, und es nahm
sich ganz fest vor, mit Gleichmut und Humor zu nehmen, was
noch kommen würde.
Doch
überraschenderweise begegnete unserem Schaf zunächst
nur Gutes!
Von Lammbeinen an war es aufgrund der liebevollen Erziehung
seiner Eltern immun gegen ismen aller Art. So konnte
es sich auch nicht mit dem danielesken Schafismus und der
Kontaktophilie anstecken, die so viele Schafe angesteckt
hatte. Im Gegensatz zu den befallenen Schafen, die den Heimatstall
des Singschafs belagerten und ohne Unterlass klingelten,
hatte das Schaf das Singschaf Daniel bislang nur bei kultigen
Konzerten auf der Weidebühne erlebt. Und das genügte
ihm völlig. Was hätte es dem Singschaf sagen sollen,
was es nicht ohnehin schon wusste?
Eines Tages warf das Postschafi einen mysteriösen Brief
in den Stallbriefkasten Absender war die Schäfische
neue Post, eine Tageszeitung. Das Schaf traute seinen Augen
kaum es hatte ein Meet your Sheep! für 2 Personen
mit dem Singschaf Daniel gewonnen. Dunkel erinnerte es sich,
vor Wochen an einem Gewinnspiel teilgenommen zu haben ....
was für eine schöne Überraschung!
Das Schaf wusste zwar immer noch nicht, was es dem Singschaf
sagen wollte, aber es beschloss, die Dinge auf sich zukommen
zu lassen. Es war zuversichtlich, dass dem Singschaf ganz
sicher etwas einfallen würde, dafür war es schließlich
bekannt und beliebt.
Zur avisierten Stunde betraten das Schaf und eine Freundin
mit zittrigen Hufen eine entlegene Weide und wurden von
dem Singschaf und dessen Vater, einem stattlichen Bock,
mit freundlichem Mähen willkommen geheißen. Weit
und breit war sonst keine Schafsseele zu sehen. So konnte
das Singschaf ausgelassen und mit wilden Bocksprüngen
herumhüpfen, ohne Autogramme und dergleichen geben
zu müssen. Das Schaf hätte ihm dabei ewig zuschauen
können, doch der Vater des Singschafs sprach es an:
Liebes Schaf! Es ist kein Zufall, dass du heute hier
bist, denn ich würde mich gern mit dir unterhalten,
wenn du einverstanden bist.
Das Schaf war erstaunt und ein wenig geschmeichelt, dass
der Vater des Singschaf es persönlich kannte, doch
es stimmte natürlich gern zu und hörte, was er
zu sagen hatte..
Der Vater des Singschafs fuhr fort: Du kennst sehr
viele Schafe auf dieser Weide und deshalb möchte ich
mit dir reden. Viele von euch haben die Karriere meines
Lammes sehr unterstützt und das freut uns. Das
Schaf freute das auch. Leider hat mich per Sheepmail
aber auch die Kunde erreicht, dass manche meinen, ich sei
meinem Lamm kein guter Vater und erfolgreicher Sheepager.
Das gefällt mir gar nicht. Ich frage mich, woher wollen
sie das wissen? Ich habe doch immer nur das Wohl meines
singenden Lammes im Auge und solche Äußerungen
verletzen mich sehr!
Das Schaf dachte nach. Es wollte nichts Unüberlegtes
sagen, denn es erkannte, dass das Thema dem Vater des Singschafs
sehr wichtig war, und konnte ihn verstehen. Vorsichtig fragte
es nach, ob er denn nicht wolle, dass die Fans des Singschafs
sich über dessen Tun und Treiben austauschten. Der
Vater des Singschafs blähte die Nüstern und schnaubte
empört. Wenn es nur das wäre! Da wäre
nichts dran auszusetzen - konstruktive Kritik ist ein Vorrecht
der Fanschafe, das ist sonnenklar! Einige unter ihnen aber,
und das sind, wie mir zugetragen wurde, immer dieselben
Hetzschafe, gehen dabei entschieden zu weit. Ich meine damit
nicht dich, liebes Schaf, sonst hätte ich nicht mir
dir gesprochen. Doch diese Hetzschafe blöken Schmähreden
über mich herum und wissen alles besser.
Das Schaf war betroffen. Es glaubte dem Vater des Singschafs,
dass er zutiefst beleidigt worden war in seiner Eigenschaft
als treusorgender Vater eines vielbewunderten Lammes.
Doch es konnte auch die Argumente der Fanschafe verstehen,
die mit der sheepagerischen Vorgehensweise des Singschafvaters
nicht einverstanden waren. Es kannte einige von ihnen gut,
und obwohl sie ihr Schafsmaul ab und an zu weit aufrissen,
meinten sie es doch nicht böse, das wusste es ganz
sicher.
Das Schaf gab also zu bedenken, dass Schafopolis seit Schafsgedenken
eine Demokratie sei. Deren Grundrechte müssten für
alle Schafe gewahrt bleiben, und natürlich auch für
die Fanschafe.
Jedes gemeine Weideschaf dürfe frei seine Meinung äußern,
auch über Themen, die ihm nicht unbedingt vertraut
waren. Natürlich seien derlei Absonderungen nicht immer
qualifiziert, doch das sei hinzunehmen. Andernfalls müsse
man aber jedem x-beliebigen Kegel- oder Stammtisch-Schaf
das Politisieren, sprich das Maul verbieten.
Selbstverständlich jedoch, und das stünde außer
Frage, dürften derlei öffentliche Äußerungen
nicht beleidigend oder schmähend sein, in diesem Punkt
gebe es dem Vater des Singschafs völlig recht.
So sprach das Schaf. Der Vater des Singschafs blickte nicht
eben überzeugt aus dem Unterfell ... doch das Schaf
hatte das Gefühl, ihn zumindest ein wenig besänftigt
zu haben. Es bat ihn noch, wenn ihm derlei Äußerungen
in Zukunft zu Ohren kommen würden, diese nicht ganz
so persönlich zu nehmen wie bisher, oder es zumindest
zu versuchen. Es merkte auch an, dass möglicherweise
die Informanten des Singschafvaters aufgrund ihrer Infektion
mit dem danielesken Schafismus und der damit einhergehend
fortschreitenden Kontaktophilie voreingenommen sein könnten,
und nicht so zuverlässig, wie er gerne glauben wollte
... in diesem Moment hüpfte das Singschaf heran und
das Herz des Schafs hüpfte mit.
Das Schaf war dem Singschaf noch nie so nah gewesen. Diese
unverhoffte Begegnung freute es sehr, weil es den Weg des
Singschafs von Anfang an verfolgt hatte und sich nun auch
noch ein persönliches Bild machen konnte.
Ein musikinteressierter Widder und Beobachter des Singschafs
hatte vor Monaten einen bemerkenswerten Satz geäußert.
Dieser kam dem Schaf jetzt unwillkürlich wieder in
den Sinn, als es dem Singschaf in die schönen braunen
Augen blickte.
Der Widder hatte gesagt: Irgendwie wirkt er tatsächlich
mit seiner Unermüdlichkeit wie ein Eroberer. Ich hoffe,
daß er weiterhin den Antrieb besitzt seinen Wunsch
wahr zu machen, denn eins hat er auf jeden Fall - CHARME
!!!"
Und genau so empfand es jetzt auch das Schaf. Es plauderte
ein wenig mit dem Singschaf, das verspielt und lieblich
zwischen Schafgarbe und Gänseblümchen vor ihm
herumtänzelte. Das Singschaf erzählte, dass es
von einem lieben Fan Sheepminton-Schläger geschenkt
bekommen habe ob das Schaf sie mit ihm ausprobieren
wolle?
So spielten sie kichernd und Supersheep trällernd Sheepminton
und das Schaf merkte, dass ihm leicht ums Herz wurde. Als
es noch glücklich gelebt hatte, war es immer schon
immun gegen den danielesken Schafismus und die Kontaktophilie
gewesen, doch es hatte das Singschaf von jeher sehr gern
gehabt. Es erschien ihm wie ein seltenes, bunt blühendes
Pflänzlein auf der Weide, das man nicht abfressen sollte.
Dann war die Trauer gekommen, die sein Leben in graues Tuch
hüllte. In dieser Zeit war das Schaf unempfänglich
für jeden Trost; auch den, den das Singschaf ihm früher
spenden konnte, wenn es Klee gefressen oder eins auf die
Hörner bekommen hatte..
Doch nzwischen ging es dem Schaf bedeutend besser und es
war wieder in der Lage, über den Weidezaun zu blicken.
Das Singschaf hüpfte vertrauensvoll vor ihm herum,
ein Sonnenlamm, das mit seiner Unbekümmertheit allen
Widrigkeiten trotzen und sie bedeutungslos erscheinen lassen
konnte. Und das wärmte das Herz des Schafes.
Ihm fiel ein Film mit Alan Ricksheep ein, den es vor Jahren
gesehen hatte. In dem Film, der Dogma hieß, erweist
sich Gott als Göttin. Eine Göttin, die ihre Mitwesen
liebt, die ihr bisweilen albern vorkommen, bisweilen spannend
und bisweilen auch nur amüsant. Wenn sie will, kümmert
sie sich um sie, und sie weiß, was sie brauchen ...
Glück, Schmerz, Trauer, Hass anything goes.
Sie ist kindlich, gütig und manchmal auch ein bisschen
schafsköpfig. Diese Göttin spielt und amüsiert
sich gern, sie ist respektlos, aber nicht rücksichtslos.
Sie nimmt das Leben nicht tödlich ernst. Und auch sich
selbst nicht!
Sie hat eine alte Seele, und sie weiß alles, was es
zu wissen gibt. Das Schaf hatte vor vielen Jahren die Weiden
Tibets besucht, und die Lamas in den tibetischen Klöstern
erinnerten sie an die Göttin - alte Seelen mit der
Weisheit des Alters und den Spielen der Kinder.
Unser Schaf auf seiner spirituellen Reise wusste natürlich,
dass das Singschaf nun weder Göttin noch Lama war.
Es war lediglich ein lebhaftes Lamm mit viel Charisma und
einer gewissen Ausstrahlung. Doch wenn es so vernügt
herumtollte, war an dem Singschaf viel von dem göttlichen
Funken sichtbar, den alle Schafe in sich tragen.
Wenn dieser auch im Lauf der Zeit verschüttet werden
kann, so geht er doch nie ganz verloren. Die Schafe zu lieben,
mit mehr als einem Augenzwinkern war es das ganze
Geheimnis? Das fragte sich das Schaf
Es
waren vergnügliche Stunden.
Während der Vater des Singschafs geruhsam graste, tollten
das Schaf und des Schafes Freundin mit dem Singschaf auf
der grünen Wiese herum. Sie blätterten auch in
der Schafspostille, die des Schafes Freundin mit einigen
anderen engagierten Schreiberlingen für die Fans des
Singschafs auflegte, und das Singschaf zeigte sich gebührend
beeindruckt.
Nach
einer Weile drängte der Vater des Singschafs, der ja
auch sein Sheepager war, zum Aufbruch. Das Singschaf nahm
am Abend an einer Reality -TV- Show teil und sollte sich
vorher ausruhen.
Bei der Show handelte es sich um das perfide: Wer
hat Angst vor dem bösen Wolf? Bei dieser fragwürdigen
Sendung wurden 10 Schafe eingepfercht und mussten durch
kluges, listenreiches ( oder intrigantes) Verhalten dem
Wolf entgehen, der den Pferch zu nächtlicher Stunde
heimsuchte. Wer es nicht schaffte, wurde im Allgemeinen
nicht gefressen, doch flog aus der Sendung und wurde von
ganz Schafopolis ausgeblökt, eine Schande für
jedes Promi-Schaf.
Das letzte der 10 kleinen Schäflein dagegen, das am
Ende übrigblieb, erhielt für jede Minute, die
es allein im Pferch überlebte, 100 Sheep-Dollar für
einen wohltätigen Zweck seiner Wahl. Da das Singschaf
bekanntermaßen sehr sozial eingestellt war, wünschten
ihm das Schaf und des Schafes Freundin von ganzem Herzen
Glück bei seinem ehrgeizigen Vorhaben.
Dass sie auch ein bisschen Angst um das Singschaf hatten,
sagten sie nicht, doch es spürte ihre Vorbehalte und
legte ihnen beruhigend einen Huf auf die Schulter. Keine
Angst, mir passiert nichts. Ich bin ein Glückskind!,
versicherte es, und wenn sie das auch nicht vollends beruhigte,
waren sie doch froh, dass das Singschaf selbst so gelassen
war. Sie winkten, bis das hüpfende Singschaf und sein
Papa aus ihrem Blickfeld entschwunden waren.
Nach all der Aufregung hatten sich das Schaf und des Schafes
Freundin einen Grasburger Kingsize mit einer großen
Latte Schafato verdient, die sie sich umgehend gönnten.
Und damit wurde dieser denkwürdige Tag würdig
beschlossen.
4.
Die kontaktophilen Schafe langweilen sich und das Schaf
setzt seine spirituelle Reise bei den Toleranzschafen fort
Das Schaf war auf seiner spirituellen Reise völlig
ausgelastet und vermisste nichts.
Währenddessen aber machten sich Missstimmung und Unfriede
in der Herde breit. Kein Schaf wollte es zugeben, doch besonders
die vom danielesken Schafismus befallenen und kontaktophilen
Schafe begannen sich zu langweilen. Das Singschaf legte
derzeit eine kreative Pause ein und sorgte für wenig
Gesprächsstoff. Auch unser Schaf war kaum mehr in der
Öffentlichkeit präsent und damit zur Pflege eines
befriedigenden Feindschafbildes derzeit unergiebig.
Nun hatten sie den ganzen Tag über nichts zu tun, als
auf der Weide herumzustehen und erbost zu blöken, wenn
das Postschafi die neue Singschaf-DVD für ihren Geschmack
nicht schnell genug bringen wollte.
Die Lämmer im Teeniealter konnten sich am besten in
die Psyche des Singschafs hineinversetzen und sie beschäftigten
sich ausdauernd und höchst kreativ mit Schafulieren.
So sinnierten sie lautstark darüber, ob sich das Singschaf
eine Dauerwolle hatte legen lassen. Und ob es zu oft und
zu saftig geweidet und gar etwas Speck unter der seidigen
dunklen Wolle angesetzt hatte. Natürlich wollten auch
alle gern wissen, ob, wie oft und mit welchem beneidenswertem
Schaf es sich schon im Heu vergnügt hatte, und suchten
ihre Videos akribisch nach verräterischen Heuresten
in der seidigen dunklen Wolle ab. (Da das Singschaf sich
bekanntermaßen mindestens 3-mal am Tag komplett durchbürsteln
ließ,, fanden sie natürlich nichts ...)
Das alles waren legitime Beschäftigungen für Jungfanschafe,
unschuldig und unschädlich für alle Beteiligten
- wären da nicht die moralischen Altvorderenschafe
gewesen. Sie sprachen den Jungschafen das Recht ab, in solch
respektloser Weise über die modischen und sonstigen
Extraschafanzen des Singschafs zu diskutieren, da dies einen
Übergriff auf seine komplexe und sensible Psyche darstelle.
Besonders die dem Schafswahnsinn verfallenen Schafe drehten
völlig durch. Sie rotteten sich in neuen Herden zusammen,
raunten sich Gehässiges über suspekte und potentiell
unlinientreue Schafe zu, und ließen sich geheime Botschaften
zukommen wie beim Ku-Klux-Clan.
Das Schaf hatte in der Herde bislang kein Muh und Mäh
über sein Treffen mit dem Singschaf verloren. Es befürchtete,
dass die kontaktophilen Schafe dies übel aufnehmen
würden. Sie nahmen zwar selbst jede Gelegenheit wahr,
dem Singschaf nahezukommen und den ersehnten KONTAKT zu
haben, aber das war etwas ganz anderes. Sie verdienten das,
denn sie liebten das Singschaf ja in echt und hatten nur
sein Wohl im Auge! Unser Schaf dagegen konnte nur egoistische
Motive haben.
Das glaubten die kontaktophilen Schafe.
Nun hatte das Schaf im Vertrauen einer Freundin von seinem
Meet your Sheep! erzählt, doch sie behielt dieses Wissen
nicht für sich. Sie war nämlich bereits vom danielesken
Schafismus infiziert, und warf hinfort ohne Zögern
ihren gesunden Schafsverstand über Bord, um dem Singschaf
zu dienen, ob es das nun wollte oder nicht.
Das Schaf erschien ihm jetzt als Feindesschaf, das auf der
Weide nichts mehr verloren hatte, und es wollte es loswerden.
Und so verbreitete es Unwahres über das Schaf. (Übrigens
generell eine beliebte Beschäftigung gemeiner Weideschafe):
Das Schaf blöke laut heraus und protze gar damit, dass
es mit dem Singschaf ein ganz besonderes Treffen gehabt
habe!
Wie wir wissen, wurde das Schaf von diversen Mitschafen
misstrauisch beäugt. Und so waren viele nur zu bereit,
zu glauben, was das fehlgeleitete Freundinschaf verbreitete.
Keines von ihnen hatte jemals gehört, wie das Schaf
mit seinem KONTAKT geprahlt hatte, doch sie verbreiteten
es als Wahrheit munter weiter. Nun ja, Schafe sind bisweilen
nicht besonders helle so sind Schafe eben.
Einige besonders kontaktophile Schafe rauften sich entsetzt
die Wolle, als sie erfuhren, dass das Schaf das Singschaf
auf einen Kaffeeblök getroffen hatte. Es hatte das
auf keinen Fall verdient und wusste diese Ehre überhaupt
nicht zu schätzen ... ein Affront gegen das Singschaf,
ohne Zweifel! Und gegen sie natürlich auch wenn
sie das nie zugegeben hätten.
Ein besonders unangenehmes Symptom der Kontaktophilie war
nämlich der Glaube, dass man sich den KONTAKT zum Singschaf
verdient haben musste, indem man immer die richtigen Dinge
blökte und vor allem die richtigen KONTAKT-Schafe traf,
die sich bereits in den Hofstaat des Singschafs vorgegrast
hatten.
So war die Lage derzeit auf der Weide.
Das Schaf schüttelte darob nur das wollige Haupt, denn
all das focht es nicht mehr an.
Zum Glück für die Weide gab es aber noch die große
Herde der Realoschafe, die auf die bizarren Vorgänge
ebenfalls mit Unverständnis schauten, und von denen
jetzt die Rede sein wird.
Die Realoschafe hatten kein Interesse daran, bei jedem nonkonformen
Blöken zu Streithammeln zu werden. Sie glaubten, wie
es ein verständiges Literatenschaf so treffend formulierte,
dass Humor nicht ist, wenn man trotzdem lacht. Das wahrhaft
humoristische Schaf erfreut sich gern und oft an dem, was
es zum Lachen bringt. Aber es besitzt auch die Fähigkeit,
einfach stehen zu lassen, was es nicht nachvollziehen kann
- vielleicht schafüsiert sich ein anderes Schaf prächtig
darüber! Einheit in der Vielfalt und Vielfalt in der
Einheit ein Kernsatz des demoschafisch-freiheitlichen
Denkens seit Schafanuel Kant.
Die Realoschafe, oder Toleranzschafe, wie sie auch genannt
wurden, beschäftigten sich im Übrigen mit wesentlich
wichtigeren Dingen. Mit ihrer intakten Seele fühlten
sich in ihrer Wolle im allgemeinen sehr wohl. Daher waren
sie auch in der Lage, das Leben in seiner ganzen Vielfalt
zu genießen carpe diem war nicht umsonst ihr
Wahlblök.
Sie weideten gern lange und genüsslich, wobei stets
ein angeregter Schafsgedankenaustausch stattfand. Sie hatten
ein Faible für Süßes und naschten mit Vorliebe
Schokoerdbeeren auf der Schafn, dem jährlich stattfindenden
Weidefest. Abends tranken sie eimerweise Hammelbräu,
ein obergäriges trübes Bier mit einem hohen Stammwürze-Anteil,
das ihnen enorm mundete.
Die Schafe waren aber auch eitel. Dazu bekannten sie sich
freimütig, und hin und wieder träumten sie von
einer Karriere als Modelschaf. Doch zu ihrem Leidwesen ging
dieser Wunsch mit ihren epikuschafischen Neigungen nicht
eben konform. Sie trugen es mit Humor, wie es ihr Naturell
war, und verlegten sich darauf, stundenlang ausdauernd über
das Abnehmen zu schafulieren. Dabei kicherten sie ununterbrochen
... es waren zweifellos lustige Schafe.
Jede Woche erschien ein neues Standardwerk, das den angefutterten
Pölsterchen zu Leibe rücken sollte. Die einschlägigen
Titel kannte jedes Lamm Schaf ja, Speck nein!,
Fitness auf der Weide und das Standardwerk der
Blauwollschafe Das spirituelle Schaf, 4. Band
Friss dich gesund! fehlten in keinem Stall.
Die Realoschafe waren bekannt für ihren guten Schafkram.
Da ihr Geist und ihre Seele sich keine künstlichen
Beschränkungen auferlegten, gingen sie gern und oft
ins Heu und waren dort sehr einfühlsam und erfindungsreich!
Da diese Schafe aber auch hoffnungslos schafomantisch veranlagt
waren, ganz so wie Schafi McBeal, vergingen oft Jahre ohne
Schafkram. Hatte sich so ein Schaf aber einmal ernsthaft
verliebt, dann war der Schafkram mit ihm um ein Vielfaches
schöner als mit einem puritanischen Hemmschaf, das
zwar Joy of Schafkram auswendig kannte, aber ansonsten keine
rechte Freude aufkommen ließ.
Die
Realo- oder Toleranzschafe waren sehr vielseitig interessiert.
Sie hatten ausgeprägte kulturelle Neigungen und einen
gutentwickelten Sinn für Ästhetik einer
der Gründe, weshalb sie auch auf das Singschaf standen.
Wie wir wissen, schafosophierten sie gern und liebten die
Herausforderung beim Diskublöken. Dies wurde bisweilen
als Streithammeltum ausgelegt, und damit mussten sie leben.
Viele von ihnen waren ausgesprochen musikinteressiert und
manche hätten das Singschaf gern als legendären
Rockstar gesehen. Doch man kann nichts erzwingen, und das
sahen sie letztendlich ein. So pilgerten sie weiter unverdrossen
zu den Konzerten des Singschafs und zu Nightsheep, hörten
auch Schafaldis 4 Weidezeiten und Verdis Schafida, und sie
respektierten sich gegenseitig in ihrer Verschiedenheit
Interessante
Gespräche über Gott und die Weide waren bei ihnen
an der Tagesordnung, was bei einigen zu einem Engagement
in der grünen Weidepolitik von Schafopolis oder auf
karitativem Gebiet führte. Wie gute Pfadschafe bemühten
sie sich um soziales Verhalten in der Herde und spendeten
regelmäßig Wolle für wohltätige Zwecke
wie Save the wolves! oder Niemals Scheren
ohne Schutz!
Kurzum, es waren aktive, aber keine verbissenen Schafe.
Eine gewisse Lockerheit war ihnen eigen, und das Singschaf
spielte in ihrem Leben zwar eine wichtige, doch nicht die
tragende Rolle. Trotzdem akzeptierten sie auch die vom danielesken
Schafismus befallenen Schafe, die ihr Leben zur Gänze
in den Dienst des Singschafs gestellt hatten. Jedes Schaf
sollte schließlich nach seiner Fasson glücklich
werden!
Die Realoschafe lebten ein ausgeglichenes Leben im Einklang
mit sich selbst und ihrer unsterblichen Schafsseele. Doch
wer nun glaubt, dass sie Engel waren, der täuscht sich
- Engel gibt es eben nur im Himmel.
So reagierten sie ausgesprochen allergisch auf Dogmatik
und Demagogie. Dergleichen war ihnen zutiefst zuwider, und
wenn sie ein anderes Schaf meinungsmacherisch blöken
hörten, fletschten sie die Schafszähne, senkten
die Hörner und taten durch wohlgesetztes Blöken
ihr Missfallen kund. Das reichte meist aus und mehr passierte
gottseidank selten.
Naturliebend wie sie waren, kam es vor, dass sie nachts
im Schlaffell aus ihrem Stall in die Nacht traten, magisch
angezogen von dem silbernen Mond über ihren Hörnern.
Sie sahen ihn in seiner Schönheit und gedachten dabei
des Singschafs oder auch nicht wie es sich gerade
ergab.
Denn unter ihnen herrschte Toleranz.
Diese verstanden sie nicht im Sinne einer alles nivellierenden
achselzuckenden Gleichgültigkeit. Doch sie empfanden
Verständnis für die Einzigartigkeit jedes Individuums
und traten dafür ein, dass jedem Schaf eine ganz eigene
Nische auf der großen Weide des Lebens eingeräumt
werden müsse.
(Und spätestens jetzt müsste dem geneigten Leser
klargeworden sein, dass die Realoschafe die wahren Winner
dieser schafoiden Geschichte sind .. ;-).)
Doch
zurück zu unserem Schaf. Auf seiner spirituellen Reise
hatte es schon viel gelernt, doch wohin würde es der
Weg letztendlich führen?
Wie bereits festgestellt wurde, neigte das Schaf zu sehr
starken Gemütsschwankungen. Ohne Zweifel machten sich
hier der Einfluss des Wasserbock-Aszendenten und des Vollmonds
bei seiner Geburt bemerkbar.
Wenn es sich gerade nicht elegisch seufzend als gebeuteltes
Opfer böser Mächte sah, neigte es entweder zu
Größenwahn und intellektueller Schafoganz oder
aber es stand kurz vor der Seligsprechung. Letzteres war
nicht unedel, wirkte sich für das Schaf im knallharten
Konkurrenzkampf zwischen Karriereschafen aber auch nicht
sehr günstig aus
Bei der Schafopeuthin hatte das Schaf gelernt, wie man mit
derlei Macken ein leidlich befriedigendes Schafsleben führen
kann, doch offensichtlich haperte es noch an der Praxis.
Deshalb erschien es dem Schaf wie ein Wink des Schicksals,
als es von den ausgeglichenen Realo- oder Toleranzschafen
hörte, und es beschloss, zu ihnen in die Lehre zu gehen.
5.
Das Schaf beendet seine spirituelle Reise, isst einen Grasburger
und gibt sich hin.
Die
Toleranzschafe begrüßten das Schaf freundlich
in ihrem Gehege und sagten: Liebes Schaf, wer sind
wir, dass wir dich belehren könnten! Ist nicht jeder
irgendwann im Leben ein bisschen schafsköpfig? Aber
wenn du möchtest, dann betrachte deinen Aufenthalt
hier einfach als Schafikum!
Das Schaf freute sich über den unkomplizierten Empfang.
Es wusste sehr wohl, dass auch die Toleranzschafe eine gewisse
Skepsis ihm gegenüber empfanden, denn sie hatten von
den angeätzten und kontaktophilen Schafen Schreckliches
über das Schaf gehört.
Es gab fast nichts, was es nicht verbrochen haben sollte;
den Erzählungen nach musste es ein rechter Teufelsbraten
sein. Die Unvoreingenommenheit der Realoschafe rechnete
es ihnen deshalb hoch an.
Jeden
Tag ging es nun zum Grasen in das Realotoleranzgehege und
blökte mit ihnen über Gott und die Weide. Einige
lernte es näher kennen und konnte sich eine Freundschaft
mit ihnen gut vorstellen.. Aber tief in seinem Innern rechnete
es jeden Tag damit, das Gatter vor den Nüstern wieder
zugehauen zu bekommen, denn sein Urvertrauen war geschmolzen
wie Schnee in der Sonne.
Doch die Realotoleranzschafe, kurz RTs, waren nicht beeinflussbar
von Tratsch und Klatsch. Dieser hatte sie lediglich neugierig
auf das Schaf gemacht. Jetzt wollten sie herausfinden, ob
die Geschichten über seinen schlechter Schafakter stimmten,
denn sie gingen den Dingen gern auf den Grund.
Mit jedem Morgen, den das Schaf mit ihnen vergraste, lernten
sie es ein bisschen besser kennen... mit all seinen guten
und schlechten Schafaktereigenschaften. Und erstaunt stellten
sie fest, dass es ein Schaf war wie jedes andere auch
kein Unschuldslamm, aber auch nicht durch und durch verwolft.
Sie sahen, daß es dasselbe Heu wie sie selbst fraß,
seinen Morgenkaffee trank wie sie, und dass es ein Faible
für Pinguis und Hot Wolves hatte(mit Mayo, Senf und
Ketchup). Und wie sie alle träumte es insgeheim von
der großen Liebe und einem Dutzend gesunder Lämmer
mit seinem Traumschaf.
Dem konnte das Bild vom schrecklichen furchteinflößenden
Schaf nicht standhalten!
Die
RTs ließen das Schaf nicht fallen. Sie erkannten,
dass es eine schwere Zeit hinter sich hatte und sich auf
der Suche nach der Richtung befand, die seinem Leben abhanden
gekommen war. Es sprach nicht darüber, doch bisweilen
vergaß es das Kauen beim Grasen und sein Blick wurde
leer. In diesen Momenten entfernte es sich von ihnen, in
eine längst vergangene Zeit, an einen längst vergessenen
Ort ....
Sein
Los konnten und wollten die RTs dem Schaf nicht abnehmen.
Auch bedauerten sie es nicht übermäßig,
denn sie sahen, dass es zäh war. Es gab so schnell
nicht auf und würde nach seiner spirituellen Reise
aus eigener Kraft auf die Hammelbeine kommen.
Es brauchte kein Mitleid, doch, wie jedes Lebewesen, blühte
es auf bei genügend Zuwendung und liebevoller Fürsorge.
Die RTs erleichterten dem Schaf die Widrigkeiten des Alltags,
sie waren da, wenn es blökte, und rupften ihm auch
mal ein Maulvoll Gras ab, wenn es zu faul zum Aufstehen
war.
Und wenn das Schaf wieder einmal dem Größenwahn
oder Selbstmitleid verfiel, ununterbrochen von sich selbst
sprach, wahlweise Bosheitsanfälle bekam oder sich kurz
vor der Seligsprechung befand, dann bekam es umgehend eins
auf die Hörner. Liebevoll, versteht sich! Und schon
gab es Ruhe und sah sein unangemessenes Verhalten ein (zumindest
in den meisten Fällen ... ).
Das Schaf langweilte sich nie auf der Realotoleranzweide,
denn der neutrale und unpolemische Gedankenaus- und bisweilen
auch Schlagabtausch mit den RTs gab seinem Verstand Nahrung
und machte ihm Spaß.
In diesen Tagen erschlossen sich dem Schaf bisher gänzlich
unbekannte Wege. So halfen ihm die Realoschafe auf ihre
Weise doch, und es sah vieles in einem neuen Licht.
Die
allen Schafen angeborene Ausgeglichenheit und Harmonie stellten
sich bei ihm nach und nach wieder ein, so dass es angemessene
Kritik nicht sofort als Angriff auf sein angeschlagenes
Schafswertgefühl betrachtete.
Das Vertrauen in die eigene Lebenskraft und auch in seine
Mitschafe kehrte langsam, aber stetig zurück Nicht
alle Schafe waren Wölfe im Schafspelz! Es hatte erkannt,
dass es Schafe gab, die es mochten, wie es war. Sie würden
das Schaf nicht verlassen - schon gar nicht einfach so!
Denn echte und erwachsene Freunde tun das nicht.
In
diesem Moment begriff das Schaf, dass seine spirituelle
Reise beendet war. Reicher an Erfahrungen, doch weiterhin
von Zweifeln geplagt suchte es den Sheep King auf und gönnte
sich die obligatorische Latte Schafato und einen Grasburger
mit Onion Rings.
Nachdenklich zermahlte es das köstliche Futter.
Es fühlte sich viel besser, in der Tat, doch die Gefühle
und Gedanken in seinem Schafskopf wirbelten durcheinander
- chaotischer denn je. Sollte es als rächendes Werschaf
Angst und Schrecken auf der Weide verbreiten? Würde
es danach der Herde noch in die Augen schauen können?
Das Schaf kam zu keinem Entschluss, so sehr es auch krübelte.
Und in Kürze war Schafurgisnacht ...!!!
Schafe sind gesellige Tiere. Doch nach all diesen Erlebnissen
wollte das Schaf allein sein; zum erstenmal in seinem Leben
suchte es die Einsamkeit. In einem abgelegenen Tal in den
hohen Bergen überantwortete es sich den heilenden Kräften
der ünberührten Natur. Und hier fand es, was es
gesucht hatte.
Während
die Lämmchen den lieben langen Tag auf den wolfsfreien
Wiesen herumtollten, sieht unser Schaf die Berge an und
den Mond, der immer voller wird, nachts, bar- und schwarzhufig.
Es streift durch die Juniwälder und die Glühwürmchen,
die um seine Schafsnase tanzen, erinnern es an vergangene
Zeiten. Dabei denkt es an den warmen Funken Glück,
den es verspürte, als der Schafscherer liebevoll seine
weiche Wolle streichelte. Es klettert auf die Almen und
betrachtet die Frösche in den Trögen, aus denen
die Kühe trinken. Und es richtet seinen Blick auf die
fernen Gipfel, bis hin zum Großglockner und auf das
ewige Eis. Es trinkt aus dem eisigen Gletscherbach und watet
in lauen Sommernächten bis zur Bauchwolle in den von
der Sonne verwöhnten See hinein. Glühwürmchen,
Berge, Flüsse, Seen ... Von der sicheren Böschung
aus betrachtet es die vom Regen geschwollenen Fluten, die
mit sich reißen, was ihnen im Weg liegt, und Sperriges
achtlos ans Ufer werfen.
Und schließlich begreift das Schaf. Ein Flussbett
wie ein Schafsleben, beide müssen nehmen, was auf sie
zukommt. Was der Fluss mit sich führt, bleibt eine
Weile liegen oder wird gleich wieder mit fortgerissen, scharfkantiges
Geröll reißt tiefe Narben in das Flussbett und
große Steine können seinen Lauf verändern.
Kein Schaf kann das aufhalten, ebensowenig wie ein Flussbett
das vermag.
So
gab sich das Schaf seiner Natur hin und fand schließlich
inneren Frieden. Endlich war es in der Lage, sich mit dem
Tod des Schafscherers abzufinden, und fortan konnte es gern
und oft liebevoll an ihn zurückdenken, ohne bittere
Schafstränen zu vergießen.
Nun
war auch der geeignete Moment gekommen, um eine Entscheidung
in der Werschafsache zu fällen. Diese fiel nun nicht
mehr schwer ohne eine Sekunde des Bedauerns nahm
das Schaf Abstand von seinen schnöden Rachegedanken.
Die Vorstellung, mit gefletschten Schafszähnen über
seine fehlgeleiteten Mitschafe herzufallen und ihnen die
Wolle über die Ohren zu ziehen, erschien ihm mithin
absurd. Ein Schaf ist kein reißender Wolf und selbst
ein Schaf im Wolfspelz kann nicht gegen seine Natur handeln
es ist und bleibt ein friedliches Wesen.
Natürlich sollte es nicht für jeden Unfug seine
Hörner hinhalten, aber es standen adäschaferische
Mittel als das Werschafen zur Verfügung, um sich wirkungsvoll
zu wehren und Wölfe und anderes Geschwerl erfolgreich
in die Flucht zu jagen.
Derart geläutert, fragte sich das Schaf nun doch leicht
besorgt, ob es womöglich zuviel Hanf auf der Bergweide
erwischt hatte, denn selbst den angeätzten und den
kontaktophilen Dumpfschafen gegenüber vermochte es
keine Aggression mehr zu empfinden.
Doch das konnte es nicht sein, denn eigentlich fühlte
es sich nicht heiliger als früher. Und schließlich
merkte es, dass ihm diese Schafe einfach nur egal geworden
waren. Sie gehörten zu einem früheren Leben, mit
dem das Schaf abgeschlossen hatte. Die Schafe, die es gekannt
und geliebt hatte, gab es nun nicht mehr ... traurig, aber
der Lauf der Weide.
Das
Schaf fasste einen Entschluss für die Zukunft - ab
sofort wollte es seinem Schafakter treu bleiben. Solange
es niemandem dabei empfindlich auf die Hufe trat, würde
es nach seiner Schaffon leben. Und wem das nicht passte,
der konnte ihm einen Huf aufblasen!
Soweit
so gut. Nachdenklich saugte das Schaf an seiner Latte Schafato,
während es den Murmeltieren auf der Alm geistesabwesend
beim Wolf und Schafsdarm Spielen zuschaute..
Wäre da nur nicht noch die Schafurgisnacht gewesen,
die auch ohne sein Mittun stattfinden und wie jedes Jahr
Dutzende unschuldiger Opfer fordern würde. Sollte ihm
das einfach egal sein?
6.
Die Schafurgisnacht und die Relativierung der Belämmertheit
Und
schließlich war es soweit. Der Tag, auf den die Schafurgisnacht
folgen würde, war angebrochen, und hektisch wurden
überall entsprechende Vorbereitungen getroffen.
Da die Schafe sich in dieser Nacht nicht in Hexen, sondern
in Werschafe verwandeln, können sie naturgemäß
nicht auf Besen in der Luft herumfliegen, was im Allgemeinen
Luftangriffe ausschließt. (Ein Schaf auf einem Besen
wäre auch ein merkwürdiger Anblick ..)
Wie wir schon erfahren haben, mutiert glücklicherweise
nicht jedes Schaf zum Werschaf. Betroffen sind nur diejenigen,
die explizit den Wunsch dazu im Herzen tragen, aus welchen
Motiven auch immer, sowie Schafe mit geschwächtem Immunsystem.
Und somit natürlich auch all die vom kontaktophilen
Schafismus infizierten Kreaturen ... ein schlimmes Los,
das unserem Schaf nun glücklicherweise erspart blieb!
Es
wusste, dass die Veränderungen mit Anbruch der Dämmerung
einsetzen würden.
Die Wolle der betroffenen Tiere färbt sich in Minutenschnelle
dunkel (zum Missvergnügen der gewöhnlichen schwarzen
Schafe, die in dieser Nacht äußerlich nicht von
den Werschafen unterschieden werden können). Die vom
Mahlen der harten Pflanzenfasern meist stumpfen Schafszähne
verwandeln sich in tödliche Reißer, die bedrohlich
gefletscht werden. Die Werschafe können nicht mehr
friedlich vor sich hin blöken, sondern knurren, bellen
und mähen missmutig und misstönend durch die Gegend.
Frisch mutiert, spucken sie angewidert das Möhrchen
aus, an dem sie eben noch genüsslich mümmelten,
und vertilgen Fleisch, Insekten und Kleingetier wie dermaleinst
Renfield in Erwartung seines Meisters Blökula. Zur
Einstimmung auf die Schafurgisnacht besorgen sie sich in
den selbstverständlich darauf eingestellten Videotheken
blutrünstige Schafaudees, vorzugsweise mit Schlachthofszenen
und ganzen Gefriertruhen voller Hammelbraten. Beliebt sind
Streifen wie Beim Scheren geschnitten, Sheepcocks
Bloodhound Sheep, Böcke des Grauens
oder Sheepoween, Teil 1 bis 5. Nicht zu vergessen
natürlich auch die Klassiker, Sheepers Creepers und
Die Nacht der lebenden Koteletts von Wolli Ramero.
Alles in allem entbehren die Aktivitäten der Werschafe
für den unbeteiligten Beobachter nicht einer gewissen
Komik, doch für sie selbst (und ihre Opfer!) ist es
bitterer Ernst!
Die
Veränderung ist nicht nur äußerlich
auch der Schafakter ist betroffen. Die niederen Instinkte
verstärken sich und führen zu Enthemmung, Gewaltbereitschaft
und bei empfänglichen Schafaktern zu nicht endenwollender
Lüsternheit, die die Wirkung selbst einer Überdosis
Sheepiagra bei weitem übertraf. Wer einem solchermaßen
enthemmten Werschaf in die Hände fiel, hatte nichts
zu blöken es musste sich auf eine lange Nacht
im Heu gefasst machen.
Natürlich stießen die Aktivitäten der Werschafe
Jahr für Jahr auf ein immer größeres Medieninteresse
längst war die Schafurgisnacht zum Medienspektakel
verkommen, und für die sensationslüsterne Herde
wurden selbst Szenen, die besser für immer im Dunkeln
geblieben wären, im Fernsehen übertragen.
Überall auf den Weiden waren Überwachungskameras
angebracht, so dass Sheepevee, ein erfolgreicher privater
Sender, die Geschehnisse in der Sendung Night of the
Weres nonstop in die Wohnställe beamen konnte
- die eher volkstümliche Variante bot das Zweite Schäfische
Weidefernsehen mit der besonders unter den konservativen
Stallschafen beliebten Schunkelsendung zur Schafurgisnacht,
Solle mer se neilasse?
Seit
Wochen hatten die Lämmer nur noch: Wer hat Angst
vor dem schwarzen Schaf? gespielt und sich Wolfsgebisse
über die Babyzähnchen gestülpt.. Alle Ställe
waren verbarrikadiert worden, und kein Schaf wollte in dieser
Nacht freiwillig einen Huf vor die Stalltür setzen.
(Abgesehen davon würden sie ohnehin für nichts
auf der Weide den Bildschirm verlassen - das war schäfisches
Realo-TV par excellence, Schafe wie du und ich mit dem Grauen
auf du und du ...was wollte man mehr?)
Es war angedacht, dass das Schaf die Nacht mit den Toleranzschafen
im Hammelbräukeller verbringen würde.
Bislang hatte es dazu wenig Lust, obwohl die Toleranzschafe
ihm lieb und teuer waren. Doch es war bedrückt und
viele Fragen gingen in seinem Schafskopf herum. Es beschloss,
dem Drang nach Einsamkeit nachzugeben und einen Streifzug
über die einsame Weide zu machen. Mit dem schwarzen
Gurt im Huftreten fürchtete es kein verfrühtes
Werschaf jedenfalls keines von der Sorte, die seit
Jahrhunderten in der Schafurgisnacht die Weiden unsicher
machte.
Und genau da lag das Möhrchen im Pfeffer. Die Aktivitäten
des gemeinen Werschafs beschränkten sich im allgemeinen
auf sinnentleerte Machodialoge und blutrünstiges Herummetzeln,
Tätigkeiten, die mithin den brünftigen Böcken
vorbehalten waren.
Doch dieses Jahr war alles anders. Wie würden sich
die mit dem kontaktophilen Schafismus infizierten Werschafe
verhalten? Es gab keine Präzedenzfälle
der Virus war neu und völlig unerforscht und die betroffenen
Schafe somit unberechenbar.
Besorgt dachte das Schaf an die entfesselten Klonsaurier
in Sheepassic Park sie punkteten durch
Intelligenz und jagten im Rudel eine Leistung, zu
der die Werschafe bislang mit Abstand zu dämlich gewesen
waren. Man konnte nur hoffen, dass es dabei bleiben würde
...
Das
Schaf trabte eben krübelnd und entsprechend geistesabwesend
am Waldrand entlang, als es in der Ferne eine Bewegung wahrnahm.
Dies war erstaunlich, da sich doch bereits alle Schafe in
ihre Ställe zurückgezogen hatten. The Night
of the Weres hatte auf Sheepevee längst begonnen,
mit einem Rückblick auf die Schafurgis-Highlights des
letzten Jahres.
Für ein Werschaf war es eigentlich noch zu früh
...aber was wusste man schon in dieser schnelllebigen Zeit.
Das Schaf schüttelte missbilligend den Kopf und trabte
unbeirrt weiter.
Schließlich konnte es erkennen, welcher mysteriöse
Fremdling seinen Weg so unerwartet kreuzte, und wider Willen
war es auf der Stelle fasziniert.
Es
handelte sich um einen dem Schaf bislang unbekannten Heidschnuck
und um das prächtigste Metal Sheep, das es je gesehen
hatte.
Die Wolle am Kopf des Heidschnucks war geschoren, bis auf
eine abenteuerliche neongrüne Locke zwischen den kunstvoll
geschärften Hörnern. Er konnte nicht älter
als 4 sein, doch sein ganzes Wesen strahlte ein unglaubliches
Schafisma aus - die Luft schien sich förmlich zu verdichten,
als er näherkam. Auf das Schaf wirkte er fast wie eine
Erscheinung, die aber durchaus nichts Bedrohliches an sich
hatte, eher das Gegenteil.
Fasziniert wartete es ab, was der Fremdling als nächstes
tun würde. Als dieser das Schaf fast erreicht hatte,
blieb er stehen, scharrte einladend mit dem Vorderhuf und
mähte mit volltönender Stimme: Guten Tag,
Schaf! Ich bin Shnuckwish aus Hellsheep-Inki und ich freue
mich sehr, deine Bekanntschaft zu machen!
Das Schaf staunte nicht schlecht. Shnuckwishs Musik war
selbst ihm geläufig, und für die Sheepmetal-Szene
war Shnuckwish mindestens ein Halbgott. Unter anderem sagte
man ihm eine spirituelle Begabung nach angeblich
beherrschte er die Teleschafie oder doch zumindest eine
außerordentlich gute Schafskenntnis und großes
Einfühlungsvermögen.
Das Schaf betrachtete sein Gegenüber neugierig. Shnuckwish
war heftig anzusehen, aber hochgewachsen und muskulös,
ohne Zweifel ein stattlicher Bock! Auf den Ohren und am
Schwanz befanden sich angemessen bedrohliche Nieten und
in den Seiten der blutrot gefärbten Hufe steckten rostige
Eisennägel. Um Hals und Fesseln hatte er Fellschoner
aus nachtschwarzem Latex angelegt, was seinem Outfit einen
erotisch-promiskuitiven Touch verlieh. Die Unterlippe war
dreimal gepierct und auf der kahlrasierten Stirn sah man
ein prächtiges Tattoo ein bangendes Herz! Dezente
Blutspritzer im kräftigen braunen Fell rundeten das
Bild ab, wobei unklar blieb, ob dies die übliche Deko
war oder eine spezielle Hommage aus gegebenem Anlass. Unser
Schaf war hochbeeindruckt.
Shnuckwish fuhr fort:
Meine gute Freundin, das Bischaf, das große
Stücke auf dich hält..." (bei diesen Worten
zwinkerte Shnuckwish verschwörerisch und das Schaf
errötete leicht) .. "hat mir von den besorgniserregenden
Vorgängen auf eurer Weide erzählt. Ich studiere
in Hellsheep-Inki unter anderem Kultur-Schafologie und Sozialwissenschaften
und bin daher an Massenphänomenen wie dem kontaktophilen
Schafismus sehr interessiert. Beim Durchforsten der einschlägigen
Literatur nach Präzedenzfällen stieß ich
auf Erkenntnisse, die für euch möglicherweise
hilfreich sein könnten. Solcherlei Entwicklungen sind
selten und daher für Schafologen hochinteressant. Deshalb
bin ich nun persönlich erschienen, um mir ein Bild
zu machen.
Erst
jetzt bemerkte das Schaf, das Shnuckwish ein Gefolge von
mindestens 30 verzückten Heidschnückchen im Schlepptau
hatte, die ihm offensichtlich verklärt jedes Wort von
den gepiercten Lippen ablasen und Shnuckwish hemmungslos
anhimmelten. Unwillkürlich musste es grinsen und Shnuckwish
bemerkte leicht verlegen: Darf ich vorstellen, meine
wissenschaftlichen Schafistentinnen ... es gibt eine Menge
zu recherchieren! Die Schafistentinnen kicherten und
das Schaf konstatierte neidvoll, dass einige von ihnen ausgesprochene
Model-Schönheiten waren, die Claudia Schäfer in
nichts nachstanden. Zumindest schienen sie aber vollschafig
zu sein und das 3. Lebensjahr vollendet zu haben, ein beruhigender
Gedanke.
Es
riss sich los von dem anregenden Anblick und sagte zu Shnuckwish:
Willkommen in Schafopolis! Ich hoffe, ihr werdet euch
trotz der unerfreulichen Umstände hier wohl fühlen.
Wie du vielleicht weißt, ist soeben die Nacht der
Nächte angebrochen, und meine Freunde und ich sind
sehr besorgt über die anstehenden Vorgänge. Die
Lage ist kritisch und kaum berechenbar. Hast du einen Rat,
wie wir uns verhalten sollen, um das Schlimmste abzuwenden
und ein sinnloses Gemetzel zu verhindern?
Shnuckwish nickte beruhigend. Mein Schaf, die Geschichte
im allgemeinen und besonderen ist in vielem mit dem klassischen
Drama zu vergleichen und läuft ähnlich ab. Auch
wenn du befürchtest, das dicke Ende komme noch, so
kann ich dich trösten: Das Schlimmste, die Katastrophe,
ist bereits eingetreten und überstanden. Denn sie spielte
sich in den Köpfen der irregeleiteten Schafe ab, klammheimlich
und überaus grauenvoll. Die Schafurgisnacht kann jetzt
durch eure aktive Mithilfe endgültig zu einem guten
Ende gebracht werden.
Das Schaf traute seinen Ohren kaum. Shnuckwish wirkte überaus
überzeugend und es hatte keinen Grund, seine Aussagen
anzuzweifeln. Nun, so sag mir, was wir zu tun haben!
bat es. Wie können wir ein plutiges Ende verhindern?
Es liegt nicht in meiner Macht, die Ereignisse vorauszusagen,
mein Schaf. Es wird geschehen, was geschehen muss ....
(Das Schaf gluckste amüsiert - Shnuckwish neigte offenbar
zum dämonischen Kryptisieren ...) und die Zeitläufte
sind überschattet von negativen Energien. Dagegen müsst
Ihr halten Euer Kampf spielt sich nicht auf der Weide
ab!. Shnuckwish sah in diesem Moment so priesterlich
aus wie Pater Ralph in den Dornenschafen und das Schaf gluckste
noch mehr Pater Ralph mit Piercing und Blutspritzern
war eine umwerfende Mischung.
Okay, Pater . .. ähm Shnuckwish, dann gib uns
wenigstens einen kleinen Hinweis, bettelte das Schaf,
denn es sah wohl, dass Shnuckwish ein wenig gebeten werden
wollte ( schon allein wegen der Schafistentinnen...)
Das tat ich und sag jetzt adè sweetheart,
life ist a cabaret!
Mit
diesen hehren Worten hob Shnuckwish den rechten Huf zum
Gruß und machte eine grazile Kehrtwendung. Gefolgt
von seinen 30 Schafistentinnen verschwand er langsam in
der Dämmerung was mochte er vorhaben?
Das
Schaf wusste es nicht, doch ihm schafte, dass es nicht das
letzte Mal von Shnuckwish gehört hatte, und diese Ahnung
sollte sich sehr bald bestätigen.
Was hatte Shnuckwish sagen wollen mit seinem fröhlichen
Life ist a cabaret ?
Doch
während das Schaf noch darüber krübelte,
brach überall um es herum die Schafurgisnacht-Hölle
los. Die Dunkelheit war gekommen und überall in Schafopolis
mutierten friedliche Schäflein zu reißenden Werschafen,
die ihre Metamorphose mit einem animalischen Blöken
begrüßten. Dieses unnatürliche Heulen war
auf der ganzen Weide (und natürlich auf den Bildschirmen)
zu hören, und das Schaf überlief es kalt. Aus
den Wäldern drangen seltsam krachende Geräusche,
erzeugt von Werschafen, die ihr verändertes Gebiss
mangels lebender Opfer knurrend an jungen Bäumen wetzten
und dabei bedrohlich die Rückenwolle aufrichteten.
Das
Schaf machte sich auf die Hammelbeine zu den Toleranzschafen
im Hammelbräukeller. Wenn es Shnuckwish richtig verstanden
hatte, stand ihm eine lange und anstrengende Nacht bevor,
die so leicht keiner von ihnen wieder vergessen würde.
Dafür würde es auf jeden Fall sorgen ... ein zufriedenes
Grinsen überzog sein Gesicht.
Die normalen Werschafe, die nicht vom kontaktophilen Schafismus
infiziert waren, begannen, ihr ganz normales werschäfliches
Unwesen zu treiben, dokumentiert und kommentiert von Sheepevee
und dessen getreuen Schafsköpfen.
Ein
hübsches junges Mutterschaf zum Beispiel, das unter
verschärftem Heukummer litt, hatte kurz vor der Schafurgis-Nacht
erfahren, dass seine Ex-Liebste eine neue GHG, sprich göttliche
Heu-Gefährtin, hatte. Das versetzte es so in Rage,
dass es zum Werschaf mutierte, um ihr einmal so richtig
die Wolle zu zausen. Als das heukummernde Schaf vor dem
Schafstall seiner Ex-Liebsten säuselte: Ich bins!
Schafialein, mach doch kurz auf!, und diese unvorsichtigerweise
die Tür öffnete, hatte Schafialein nichts zu lachen!
Werschafhufe und Werschafzähne können gewaltige
blaue Flecken und Risse im gepflegten Fell erzeugen, und
das Plut spritzte fröhlich durch den mit geschmackvollen
Sheepea-Möbeln gerade erst frisch eingerichteten Schafstall.
Die
durch Sheepevee hautnah am Geschehen teilnehmenden TV-Schafe
grinsten schadenfroh und nippten an ihrem Bocksbeutel. Sie
fühlten mit dem schnöde verlassene Werschaf; wer
will schon so behandelt werden? Schließlich musste
die Schafsdarmerie eingreifen das Werschaf hätte
seiner Exfreundin sonst doch noch die Wolle über die
Hörner gezogen und das geht ja denn doch nicht. (Obwohl
sie es zweifellos verdient hätte ....)
Ein gutaussehender Hammel, der in jeder Herde der Erzeuger
von mindestens 20 Lämmchen war, wurde schlimm zugerichtet,
weil er seine Schafimente nicht pünktlich entrichtete.
Auch hier konnte das Publikum weder Mitleid noch Gnade empfinden
für Schafanovas gilt nun mal: kein Rammeln ohne
Reue!
Doch
was geschah bei den vom kontaktophilen Schafismus infizierten
Werschafen? Ihre Mutation war ordnungsgemäß erfolgt,
und gespannt wartete die Beherderung darauf, dass sie sich
auf die Suche nach ihren Feinden begeben würden.
Denn dieser gab es viele, seien sie nun echt oder eingebildet.
Wie erwartet, gab es aber Komplikationen.
Die
realste Bedrohung dieser Beherderungsgruppe waren bislang
die sogenannten Antischafis gewesen. Als sich der Singschafkult
verselbständigt hatte, bildete sich nach den Gesetzen
der Gruppendynamik sofort eine Opposition, die das Singschaf,
dessen Aktivitäten und natürlich seine Anhänger
aufs schärfste verurteilte.
Diese Antischafis glaubten, der Singschafkult trage zur
Schafsverblödung bei und sei daher hochgefährlich.
Die Singschaffans dagegen glaubten, die Antischafis seien
Abgesandte des Hammeldämons und zu jeder kriminellen
Handlung fähig.
Bemerkenswerterweise unterschieden sich die Methoden bei
der gegenseitigen Diskriminierung und Denunzierung wenig
bis gar nicht.
Bisweilen schlichen sich Singschaffans bei den Antischafis
ein und versuchten, diese in geringfügig polemischen
Debatten zu bekehren, mit nur mäßigem Erfolg.
Die Antischafis dagegen versuchten laufend, sich unter die
Singschaffans zu mischen wie die Ghostbusters, denn sie
wollten gar zu gern eine Gehirnwäsche an ihnen vornehmen.
Mit überhaupt keinem Erfolg.
Es war zu vermuten, dass die Wersingschaffans sich als erstes
auf die Antischafis stürzen würden bzw. die Werantischafis
auf die Singschaffans.
Besonders die vom kontaktophilen Schafismus infizierten
Werschafe waren ganz heiß darauf, die Antischafis
zu fressen. Kannibalismus war in der Nahrungskette für
sie zwar nicht vorgesehen, aber für seine Überzeugung
muss man nun mal Opfer bringen.
Die
infizierten Werschafis pflegten aber noch diverse andere
Feindbilder. In ihren Augen war eigentlich jeder verdächtig,
der nicht sein komplettes Schafsdasein in den Dienst des
Singschafs gestellt hatte, und so witterten sie auch in
den eigenen Reihen ständig Unrat, eine wirklich lästige
Begleiterscheinung des Schafismus.
Zu allem Überdruss gab es noch diverse Splittergruppen,
die sich mit Misstrauen beäugten. Die Mutterschafe
oder die, die es gern geworden wären, lebten mit der
Singschafverehrung ihre durchaus legitimen Sehnsüchte
(welcher Art auch immer) aus. Allerdings konnten sie den
jugendlichen Überschwang, mit dem die kaum den Lammhufen
entwachsenen Teenieschafe ihren Schwarm anbeteten, nicht
gutheißen. Sex und Erotik waren selbstverständlich
okay und etwas ganz Natürliches, aber nur in geordneten
Bahnen, jawohl .... und überhaupt, nur sie wussten,
was wirklich gut für ihren Liebling war. Wie halt Mutterschafe
so sind.
Die
Jungschafe untereinander hatten ganz andere Sorgen
unter ihnen herrschte ein harter Konkurrenzkampf, obwohl
sie unter den Singschaffans vermutlich die normalsten waren.
Jedes von ihnen wollte dem Singschaf so nah wie möglich
kommen. Jungschafe dürfen über die Stränge
schlagen, ganz klar!
Dann waren da ja auch noch die angeätzten Schafe, die
dem Schaf am Beginn unserer Geschichte so unfreundlich mitgespielt
hatten. Sie bewegten sich als Sympathisanten frei unter
den Fans und waren so manchem kontaktophilen Schaf freundschaftlich
verbunden. In letzter Zeit allerdings nagten die Zweifel
am Geisteszustand derselben leise, doch immer unüberhörbarer
an ihnen. Diesen blieb das nicht verborgen, eine weitere
Unwägbarkeit dieser Schafurgisnacht.
Und so kam es, dass sich auf der großen Weide blutrünstige
Werschafe der verschiedensten Lager befanden, die gierig
sabbernd auf ein Plutbad hofften. Doch anstatt sich auf
die Suche nach zu zerfleischenden Opfern zu machen, geschah
etwas, was niemand erwartet hatte: Vor lauter Eifer und
Ungeduld wurden sie handlungsunfähig. Nicht mehr in
der Lage, zu entscheiden, wem sie zuerst ihre wunderbaren
neuen Reißzähne ins zuckende Fleisch jagen sollten,
wussten sie nicht mehr ein noch aus! Und so taten sie das,
was jedes Schaf tut, wenn es nicht weiterweiß - es
setzt sich an den Rechner, und beginnt zu blöken.
Und das geschah auch jetzt in der Schafurgisnacht.